Woche 9: Das Kloster im Kriegsgebiet
Willkommen zurück, liebe Leser und Leserinnen.
Wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, ist die Lage im Nahen Osten grade besonders angespannt. Neben dem seit Oktober 2023 andauernden Krieg im Gazastreifen, in dem Israel gegen die Hamas kämpft, hat letzten Freitag ein weiterer Krieg begonnen : Israel und der Iran befinden sich in einer direkten Konfrontation.
Verbale Drohungen zwischen Israel und dem Iran gehören seit Jahren zum politischen Alltag in der Region, ebenso wie die Unterstützung islamistischer proiranischer Milizen, die teilweise auch jetzt noch im Krieg gegen Israel sind. Doch was sich nun entwickelt hat, ist eine neue Stufe der Eskalation: Ein offener, direkter Schlagabtausch zwischen beiden Staaten. Erstmals seit Langem greifen sich Israel und der Iran unmittelbar an – mit Drohnenangriffen, Raketenbeschuss und gezielten Militäraktionen. Der Iran schießt immer und immer wieder mit Raketen auf Israel, während Israel Luftangriffe auf den Iran fliegt. Ziel dieser Angriffe sind vor allem militärische Infrastruktur, mögliche Atomanlagen und regimenahe Einrichtungen. Unter den gegenseitigen Angriffen leidet natürlich auch die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Was hier grade passiert, ist eine Erinnerung daran, wie schnell geopolitische Konflikte eskalieren können – und wie sehr sie das Leben unzähliger unschuldiger Menschen zerstören. Aber ich schreibe hier ja keinen Politikblog, sondern von meinen Eindrücken und Erlebnissen in der Klosterzeit. Also fangen wir damit mal an.
Am Donnerstag war ich in der israelischen Nationalbibliothek. Ein architektonisch beeindruckendes Gebäude. Ein großer, runder Lesesaal in der Mitte und weitläufige und lichtdurchflutete Räume und Gänge drumherum. Ich wollte tatsächlich gar nicht in den Lesesaal. Mit Büchern bin ich hier durch die Klosterbibliothek bestens ausgestattet. Es gibt immer zwei Ausstellungen in der Nationalbibliothek. Eine ist permanent: Hier werden verschiedene Schriftstücke ausgestellt, von Postkarten, Liederbüchern bis zu alten Landkarten ist alles dabei. Der Hauptfokus ist Israel und das Judentum. Viele der Texte sind von jüdischen Autoren oder von solchen, die das Heilige Land besucht haben. Die zweite Ausstellung wechselt immer mal wieder. Die aktuelle handelt von Franz Kafka und seinen Werken. Ich habe beide besucht und fand sie sehr interessant.
Freitag ging es dann mitten in der Nacht los: Israel flog in einer groß angelegten Militäraktion einen Angriff auf den Iran. Der Iran reagierte mit Vergeltungsschlägen. Das ganze ging dann die nächsten Tage immer so weiter. Es gibt in Israel ein Frühwarnsystem, dass die Bewohner vor Angriffen informiert, damit sich diese in Sicherheit bringen können. Und genau das tun wir auch. Sobald die Sirenen erklingen, was meistens mitten in der Nacht ist, begeben wir uns alle in den Schutzraum im Keller des Klosters. Jerusalem wird vergleichsweise wenig angegriffen. Hier ist es noch relativ sicher. Man muss sich nur immer in der Nähe eines Schutzraumes aufhalten, damit man sich im Alarmfall schnell in Sicherheit bringen kann. Schlimmer trifft es andere Städte, wie Tel Aviv oder Haifa.
In den nächsten Tagen ging es dann erstmal so weiter. Vieles in der Stadt war ohnehin geschlossen und natürlich auch aus sicherheitstechnischen Gründen habe ich mich nicht vom Klostergelände entfernt. Zum Glück haben wir einen Garten hier! Ansonsten ging der Alltag relativ normal weiter. Es waren einige Gäste / Pilger da, die im Land gestrandet waren und erstmal hier wohnten. Die Gebetszeiten wurden wie gewohnt eingehalten. Mittlerweile habe ich die Sakristei übernommen, was bedeutet, dass ich die Gebete und Gottesdienste vorbereite. Licht anmachen, Kerzen anzünden, Gesangsbücher rauslegen, wenn Messe ist, das Abendmahl vorbereiten und was sonst noch so alles dazugehört. Ebenfalls habe ich wieder Bücher etikettiert und in die Bibliothek einsortiert und andere verschiedene kleine Aufgaben erledigt. Auch habe ich mit einem neuen, länger andauernden Projekt begonnen: Über die Jahre wurden in den Klöstern in Tabgha und Jerusalem tausende von Münzen aus aller Welt gesammelt, die die zahlreichen Gäste mitgebracht und auf verschiedensten Weisen da gelassen haben. Diese sortiere ich jetzt. Diesen Donnerstag ist Fronleichnam, was wir natürlich in der Kirche feierten. Danach verabschiedeten wir uns von den Gästen, die am frühen Freitagmorgen mit dem Auto nach Jordanien aufbrechen und von Amman aus zurück in ihre Heimat fliegen.
Danke für das Lesen (:
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